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Samstag, April 20, 2024
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Verbraucherschützer warnen “Opfer eines statistischen Vorurteils“

Experten beklagen, dass viele gescorte Verbraucher wegen grober Statistik-Muster zu Unrecht schlecht eingestuft werden.
„Gescorte Personen laufen Gefahr, zum Opfer eines statistischen Vorurteils zu werden“, warnt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Eine gerade veröffentlichte Studie moniert, dass die Aussagekraft mancher Merkmale „fragwürdig“ sei und der individuelle Fall „nicht hinreichend berücksichtigt“ werde.

Schufa-Vorstandschef Neumann räumt ein:„Wenn ein Kunde einer Klasse zugeordnet wird, die mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Kredit zurückzahlt, wissen wir nicht, ob das auch für diesen speziellen Kunden gilt.“ Für die überwiegende Mehrzahl sei der Score aber richtig. „Das Bauchgefühl eines Kreditsachbearbeiters ist auch unsicher“, verteidigt CEG-Geschäftsführer Woydt das automatisierte Verfahren.

Tücken stecken im Detail

Die Tücken des Systems stecken im Detail: Wer etwa mehrere konkrete Kreditanfragen stellt, verschlechtert seinen Score. Verbraucher mit mangelnder Bonität müssen viele Versuche starten, um überhaupt ein Darlehen zu erhalten. Aber auch wer seine Kreditanträge nur stellt, um Konditionen zu vergleichen, sammelt Minuspunkte — selbst wenn er solvent ist. Schufa-Chef Neumann will auf diese Systemschwäche reagieren: „Wir führen jetzt ein Merkmal nur für die Konditionen-Abfrage ein, das im Score nicht berücksichtigt wird.“ Häufige Umzüge können die Bewertung ebenso senken, wenn der Computer sie als Unstetigkeit interpretiert. Was aber, wenn der Wohnungswechsel die Karriere fördert?

Beispiele für Score-Karten
Geschlecht männlich weiblich
Punke 0 25
Alter bis 30 Jahre über 30 Jahre
Punke 0 25
jährl. Bestellungen bis 5 über 5
Punke 10 1
Kreditkarten mehr als eine max. eine
Punke 0 25
Gebäudetyp Einfamilienhaus Mehrfamilienhaus
Punkte 30 0
In manchen Fällen werden Kreditanträge oder Ratenzahlungen auch abgelehnt, weil Scoring-Daten nicht stimmen. So kritisiert die Hamburger Verbraucherschützerin Kerstin Föller, dass besonders Telekomfirmen Kunden als säumig an die Schufa melden, obwohl diese eine Rechnung zu Recht angefochten und nicht bezahlt haben. Die Betroffenen kommen falschen Einträgen nur über eine Eigenabfrage bei den Auskunfteien auf die Spur — sie müssen alle gespeicherten Daten kostenlos offen legen. Die Scores hingegen geben nicht alle Unternehmen preis.

Tipps, wie sich das Rating verbessern lässt, geben deutsche Auskunfteien bislang nur eingeschränkt. Schufa-Chef Neumann: „Wir überlegen aber, ob Bürger zusätzliche Daten liefern können, damit wir den Score auf eine breitere Basis stellen.“ In etwa zwei Jahren könnte das möglich sein. Datenschützer Weichert kann vor so viel Offenheit allerdings nur warnen: „Das ist nur sinnvoll, wenn Verbraucher genau wissen, welche Kriterien ihren Wert verbessern“, kritisiert er. „Sonst zieht sich ein Halbnackter am Ende noch komplett aus.“ (quelle:focus)

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